Über vieles sprechen Menschen heute offen, was noch vor wenigen Jahrzehnten unaussprechlich gewesen wäre. Ein weit verbreitetes Leiden jedoch, die Blasenschwäche, mögen davon Betroffene häufig nicht einmal mit ihrem Arzt erörtern. Eher nehmen sie eine zunehmende Einschränkung ihrer Lebensqualität in Kauf. Warum? Ist Blasenschwäche etwa ein unabwendbares Schicksal?
Blasenschwäche: ein Leiden mit hoher Dunkelziffer
Wie viele Menschen von Blasenschwäche betroffen sind, lässt sich nur schätzen. Zu groß ist die Scham, darüber zu reden – nicht im Freundes- oder Bekanntenkreis, ja, nicht einmal mit dem Hausarzt. Höchstens die enge Familie weiß Bescheid.
Dabei ist Blasenschwäche weit verbreitet. Geschätzt 5 bis 6 Millionen Menschen in Deutschland leiden daran, Frauen ungefähr zwei- bis dreimal so häufig wie Männer. Im Alter über 60 Jahre trifft Blasenschwäche circa 20 % der Frauen und 10 % der Männer. Ab 80 Jahren hat ungefähr jeder Dritte mit Blasenschwäche zu tun. Es bleibt bei Schätzungen, da eine hohe Dunkelziffer angenommen wird.
Teilweise schämen sich Menschen so sehr, dass sie auf früher gern wahrgenommene Aktivitäten wie Sport, Theaterbesuche oder Reisen verzichten, um ihr Leiden so lange wie möglich geheimzuhalten. Das ist schade, weil sie sich zum einen von hilfreichen Behandlungen ausschließen, und zum andern von vielen Dingen gar nicht erst erfahren, die ihnen das Leben erleichtern und die einstige Lebensfreude zurückgeben können.
Was ist Blasenschwäche?
Blasenschwäche ist noch unter dem Begriff Harninkontinenz bekannt. Bei „schwacher Blase“ kommt es zu unwillkürlichem Urinabgang. Normal ist, dass sich Urin in der Blase sammelt und schließlich Harndrang auslöst. Je nach Füllmenge und Gelegenheit sucht derjenige dann eine Toilette auf, wo er den Blaseninhalt kontrolliert ablässt. Die Fähigkeit, den Blaseninhalt – und übrigens auch den Darminhalt – noch etwas halten und schließlich kontrolliert abgeben zu können, wird auch als Kontinenz bezeichnet. Das Gegenteil davon ist die Inkontinenz. Am Lebensbeginn, als Baby, ist jeder zunächst inkontinent, erlangt aber als Kleinkind die Fähigkeit zur Kontrolle seiner Ausscheidungen. Später im Leben kann es wieder zu einer Inkontinenz wie der Blasenschwäche kommen, wofür es mehrere Ursachen gibt. Blasenschwäche tritt bei fortschreitendem Lebensalter häufiger auf, kann aber auch schon früher vorkommen.
Harninkontinenz beziehungsweise Blasenschwäche zeigt sich in unterschiedlichen Formen:
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Belastungsinkontinenz
Die auch als Stressinkontinenz bekannte Form der Blasenschwäche ist eine ihrer häufigsten Formen. Der meist nur geringe Urinabgang erfolgt bei Tätigkeiten oder in Situationen, die eine vorübergehende Belastung der Harnblase mit sich bringen: typischerweise beim Heben oder Tragen schwerer Lasten sowie beim Lachen, Niesen oder Husten.
Dranginkontinenz
Dranginkontinenz ist auch als überaktive Blase oder Reizblase geläufig und ebenfalls eine häufige Blasenschwächeform. Es gibt Dranginkontinenz in drei Varianten:
- häufiges Wasserlassenmüssen tagsüber von meist jeweils nur geringen Urinmengen
- plötzlich auftretender starker Harndrang – gelegentlich nicht mehr unterdrückbar
- nächtliches häufiges Wasserlassen
Mischinkontinenz
Bei der Mischinkontinenz handelt es sich um das parallele Auftreten einer Belastungsinkontinenz und Dranginkontinenz, wobei die Ausprägung und jeweilige Gewichtung individuell unterschiedlich ausfällt.
Überlaufinkontinenz
Personen mit Überlaufkontinenz leiden unter einer fortgeschrittenen Blasenentleerungsstörung, bei der fortwährend kleinere Harnmengen aus der prallgefüllten Blase – der Überlaufblase – tröpfeln. Die Betroffenen können ihre Blase nicht willkürlich entleeren und so den Druck herausnehmen. Ihre Harnblase läuft praktisch über, wobei sich ständig Restharn darin befindet und außerdem laufend neuproduzierter Urin hinzukommt – ein andauernder Kreislauf.
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Reflexinkontinenz
Eine Reflexinkontinenz beruht oft auf Beschädigungen oder Fehlbildungen der für die Blasenentleerungsstörung verantwortlichen Nerven. Durch fehlerhafte Nervenimpulse zieht sich die Blasenmuskulatur unverhofft zusammen, sodass Betroffene Harn verlieren, ohne Harndrang zu spüren. Sie können die Blasenentleerung weder willkürlich starten noch stoppen.
Extraurethrale Inkontinenz
Bei der extraurethralen Inkontinenz handelt es sich um eine seltene Sonderform der Harnblasenschwäche. In diesem Fall verlässt der Harn die Blase nicht über die Harnröhre, sondern anderweitig. Bei Kindern geschieht das zum Beispiel über eine angeborene Harnröhrenfehlanlage. Bei Erwachsenen geht der Harn dann oft über eine Fistel ab, also einem oder mehreren kleinen innerhalb des Körpers gebildeten Durchgängen.
Welche Ursachen für Blasenschwäche gibt es?
Die Ursachen einer Blasenschwäche hängen eng mit der Art der Blasenschwäche zusammen.
Ursachen für Belastungsinkontinenz
Bei der unter den Blasenschwächen besonders häufigen Belastungsinkontinenz beziehungsweise Stressinkontinenz ist im Allgemeinen der Schließmechanismus zwischen dem Blasenhals und der Harnröhre beeinträchtigt. Häufig hängt dies mit einer Beckenbodenschwäche zusammen, die neben einer Veranlagung auch von einer Überdehnung oder Verletzung der unteren Beckenmuskulatur unter einer Geburt verursacht sein kann.
Der Beckenboden aus Muskeln und Bindegewebe hält die Beckenorgane an ihrem Platz und stabilisiert den Blasenschließmuskel. Als Ursache für eine Belastungsinkontinenz spielt der Beckenboden bei Frauen eine größere Rolle als bei Männern: Ihr Becken ist zum einen breiter und damit ist ihr Beckenboden stärkeren Belastungen ausgesetzt, zum anderen gibt es im weiblichen Beckenboden drei Durchgänge für Harnröhre, Scheide und Enddarm, im männlichen Beckenboden lediglich zwei für Harnröhre und Enddarm. Diese Durchtrittstellen verringern die Belastungstoleranz des Beckenbodens ebenfalls.
Eine Gebärmuttersenkung oder ein Gebärmuttervorfall können ebenfalls zu einer Belastungsinkontinenz führen. Auch Östrogenmangel begünstigt Stressinkontinenz. Ein weiteres Risiko stellen Operationen im Beckenbereich einschließlich einer Prostata-Operation dar.
Bestimmte Verhaltensweisen und mechanische Belastungen können ebenso zu einer Belastungsinkontinenz führen. Angefangen von Übergewicht über regelmäßiges starkes Pressen bei chronischer Verstopfung bis zum chronischem Raucherhusten bedeuten alle diese Faktoren eine ungünstige Belastung des Beckenbodens. Mangelnde Bewegung stellt ein weiteres Risiko dar, weil dann die Beckenbodenmuskeln zu wenig trainiert sind, um Belastungen aufzufangen.
Ursachen für Dranginkontinenz
Häufige Ursachen für eine Dranginkontinenz sind Harnwegsentzündungen wie zum Beispiel eine Blasenentzündung, ein instabiler Blasenmuskel, Blasensteine oder Harnwegsteine sowie Tumoren der Harnblase oder der ableitenden Harnwege. Gelegentlich können neurologische Erkrankungen für eine Dranginkontinenz verantwortlich sein, wie Multiple Sklerose, Morbus Parkinson, Morbus Alzheimer, Demenz, Diabetes mellitus, Schlaganfall oder Hirntumor. Nicht immer lässt sich ein organischer Grund finden, weshalb der Arzt dann von einer idiopathischen Reizblase spricht.
Ursachen für Überlaufinkontinenz
Ursächlich für eine Überlaufinkontinenz ist der den Harnröhrenverschlussdruck übertreffende Druck in der Harnblase, wodurch die Blase praktisch überläuft. Diese Blasenschwächevariante betrifft hauptsächlich Männer. Als geradezu klassische Ursache hierfür ist die Prostatavergrößerung zu nennen, wobei die Prostata auf die Harnblase drückt. Auch die Harnröhre verengende oder blockierende Harnsteine, Fremdkörper und Tumore kommen als Ursachen infrage. Für eine Überlaufinkontinenz bei Frauen sind zudem eine Gebärmuttersenkung oder Myome als mögliche Ursachen zu nennen. Nervenschädigungen, zum Beispiel durch Diabetes mellitus, können außerdem eine Überlaufinkontinenz auslösen.
Ursachen für Reflexinkontinenz
Verantwortlich für eine Reflexinkontinenz ist eine oft neurologisch bedingte mangelhafte Kontrolle des Harnblasenschließmuskels. Verletzungen des Rückenmarks wie nach einem schweren Bandscheibenvorfall oder einer Querschnittslähmung sowie ein sogenannter „offener Rücken“ – Spina bifida – führen zu einer mangelhaften Impulsübermittlung der zuständigen Nerven. Als Ursachen kommen weitere neurologische Erkrankungen infrage wie Morbus Parkinson, Morbus Alzheimer, Demenz, Multiple Sklerose oder Schlaganfall.
Ursachen für extraurethrale Blaseninkontinenz
Bei der extraurethralen Blaseninkontinenz verlässt der Harn die Blase nicht wie üblich durch die Harnröhre, sondern über einen anderen Weg. Bei Kindern geschieht das zum Beispiel über eine angeborene Harnröhrenfehlanlage. Bei Erwachsenen geht der Harn dann oft über eine Fistel ab, also einem oder mehreren kleinen innerhalb des Körpers gebildeten Durchgängen.
Was begünstigt Blasenschwäche noch?
Neben den als Ursachen für die verschiedenen Formen einer Blasenschwäche genannten meist körperlichen Faktoren gibt es weitere mögliche Auslöser. So können verschiedene Medikamente als Nebenwirkung eine Blasenschwäche begünstigen. Dazu gehören gegen hohen Blutdruck verordnete Betarezeptorenblocker und bei Morbus Alzheimer eingesetzte Cholinesterasehemmer. Entwässernde Medikamente – Diuretika – führen häufig zur Dranginkontinenz. Abhilfe kann ein Medikamentwechsel geben. Besprich das dann bitte mit Deinem Arzt und setze auf keinen Fall von Dir aus ein unliebsames Medikament ab.
Auch Dein Umgang mit einsetzendem Harndrang kann eine Blasenschwäche fördern oder vermeiden. Suchst Du stets sofort die Toilette auf, „verlernt“ Deine Harnblase, größere Urinmengen noch eine Weile zu speichern. Umgekehrt tust Du Dir aber auch keinen Gefallen, denn wenn Du immer bis zum Äußersten wartest, bevor Du auf die Toilette gehst, überdehnt Deine Blasenmuskulatur schließlich und kann nicht mehr zuverlässig funktionieren.
Die Neigung zur Blasenschwäche kann darüber hinaus in der Familie liegen.
Blasenschwäche: Wann zum Arzt?
Wenn Du bei Dir eine Blasenschwäche bemerkst, schiebe den Arztbesuch nicht auf die lange Bank. Auch falls Du schon älter bist, brauchst Du das keineswegs als vermeintlich naturgegeben hinzunehmen. Je später Du einen Arzt aufsuchst, desto mehr kann sich Deine Blasenschwäche verschlimmern. Eine Blasenschwäche muss außerdem nicht einfach bloß unangenehm und lästig sein, sondern es kann eine behandlungsbedürftige Erkrankung dahinterstecken. Nur ein Arztbesuch schafft Klarheit. Erster Ansprechpartner ist Dein Hausarzt.
Wie erfolgt die Diagnose einer Blasenschwäche?
Beim Verdacht auf eine Blasenschwäche wird Dir Dein Arzt zunächst Fragen stellen:
- Was für Beschwerden treten auf?
- Wie oft am Tag erfolgt das Wasserlassen?
- Verspüren Sie dabei Harndrang?
- Wie ausgeprägt ist der Harnstrahl?
- Müssen Sie nachts raus – wenn ja, wie oft?
- Wie klein oder groß sind die abgegebenen Urinmengen?
- Haben Sie beim Urinablassen Schmerzen, eventuell auch an der Seite?
- Haben Sie nach dem Urinablassen den Eindruck, Ihre Blase sei noch nicht leer?
- Tritt bei Ihnen nur in bestimmten Situationen ungewollter Harnabgang auf?
- Treten bei Ihnen außerdem Stuhlunregelmäßigkeiten auf?
- Besteht bei Ihnen eine weitere bereits bekannte Erkrankung?
- Wurden Sie im Beckenbereich operiert?
- Haben Sie Kinder geboren – wenn ja, wie viele?
- Nehmen Sie Medikamente ein – wenn ja, welche?
Vielleicht erhältst Du von Deinem Arzt die Aufgabe, über ein paar Tage ein Miktionsprotokoll zu führen. „Miktion“ ist der medizinische Begriff für die Blasenentleerung. Es handelt sich beim Miktionsprotokoll um ein Trink- und Blasentagebuch, in das Du über ein paar Tage einträgst, wann beziehungsweise wie oft Du jeweils wie viel Wasser lassen musstest, wie stark dabei Dein Harndrang war und ob ungewollt Harn abging. Ebenfalls wichtig für das Miktionsprotokoll sind auch Deine Trinkmengen sowie gegebenenfalls die Art und Menge eingesetzter Inkontinenzhilfsmittel wie zum Beispiel Vorlagen.
Bei der anschließenden körperlichen Untersuchung tastet der Arzt den Bauchraum und die Nierenregion ab auf mögliche Veränderungen der Nieren, Harnleiter oder Blase. Um die Beckenbodenmuskulatur und die Lage von Blase und Gebärmutter beurteilen zu können, werden Frauen gynäkologisch untersucht. Bei Bedarf wird auch ihr Hormonstatus, insbesondere hinsichtlich Östrogen, kontrolliert. Bei Männern prüft der Arzt, ob eine Vergrößerung der Prostata als Erklärung für die Blasenschwäche vorliegt. Hilfreich dabei ist außerdem eine Bestimmung des sogenannten PSA-Wertes, der die Menge des prostataspezifischen Antigens ausdrückt. Eine Untersuchung des Enddarms gibt Aufschluss über weitere mögliche Ursachen, zum Beispiel auf zwischen Darm und Blase gelegentlich vorhandene Fisteln, durch welche es zum Urinabgang kommen kann. Über eine Blut- und Urinuntersuchung fahndet der Arzt unter anderem nach Harninkontinenz auslösenden Harnwegsinfekten. Die Ultraschalluntersuchung liefert Erkenntnisse über den Zustand der Harnwege und der Blase und zeigt dabei auch, ob nach dem Urinieren Harn in der Blase verbleibt oder diese doch komplett entleert wird. Weitere urologische Untersuchungen können die Diagnosefindung verfeinern.
Sollte die Ursache der Blasenschwäche nach diesen Untersuchungen noch nicht geklärt sein, stehen dem Arzt weitere Diagnoseverfahren zur Verfügung wie die Computertomographie (CT) und die Blasenspiegelung (Zystoskopie).
Wie verläuft die Therapie einer Blasenschwäche?
Die Therapie einer Blasenschwäche richtet sich immer nach ihrer Art und Ursache. Liegt eine separate Erkrankung zugrunde, ist diese gezielt zu behandeln. Bei einer Blasenentzündung als Auslöser wird sich die Therapie hierauf ausrichten und der Arzt beispielsweise im Falle einer bakteriellen Blasenentzündung Antibiotika verschreiben.
Allgemein hilfreich bei Blasenschwäche ist ein spezielles Toilettentraining. Auch sollten Patienten in ihre Tagesplanung einbeziehen, dass sich immer eine Toilette in der näheren Umgebung befindet und ihr Trinkverhalten auf absehbare zwischenzeitlich kaum mögliche Toilettenpausen abstimmen. Abends vor dem Zubettgehen sollten sie ebenfalls nur noch wenig oder gar nichts trinken. Falls nötig, berät der Arzt seine Patienten im Gebrauch von Inkontinenzvorlagen und anderen Hilfsmitteln.
Bei der formenabhängigen Blasenschwäche-Therapie kommen entsprechend unterschiedliche Behandlungsmethoden zum Einsatz:
Therapie einer Belastungsinkontinenz
Bei der Belastungs- oder Stressinkontinenz sind gute Therapieerfolge durch zielgerichtete Beckenbodengymnastik zu verzeichnen. Sie kräftigt den Beckenboden und damit auch die Schließfunktion der Blase. Patienten sollten zum Beckenbodentraining fachkundig angeleitet werden, damit es effektiv wirkt und sie sich ungeeignete Übungen gar nicht erst angewöhnen. Entsprechenden Unterricht findest Du neben Angeboten von Volkshochschulen oder Sportvereinen vor allem bei Physiotherapeuten, am besten mit Spezialausbildung für Beckenbodengymnastik. Für Schwangere sind Gynäkologe und Hebamme ideale Ansprechpartner. Gerade Schwangere sollten möglichst früh mit ihrem Beckenbodentraining starten und es auch noch nach der Geburt fortsetzen.
Übergewicht als Ursache für eine Harninkontinenz sollte abgebaut werden. Bei Östrogenmangel ist die Gabe eines ergänzenden Hormonpräparates zu überlegen, was allerdings wegen möglicher Nebenwirkungen kritisch zu prüfen ist.
Bringen die genannten Therapiemethoden nicht den gewünschten Erfolg, kann eventuell eine Operation helfen.
Therapie einer Dranginkontinenz
Dranginkontinenz ist oft gut mit Medikamenten behandelbar. Vor allem sogenannte Anticholonergika versprechen gute Erfolge. Sie beeinflussen das parasympathische Nervensystem. Es dauert jedoch mehrere Wochen bis zum Wirkungseintritt. Wegen möglicher Nebenwirkungen wie Sehstörungen, Übelkeit, Mundtrockenheit, Verstopfung oder Herzrasen werden sie außerdem nicht von allen Patienten vertragen. Für Betroffene mit bestimmten Formen von Grünem Star sowie Herzrhythmusstörungen kann die Einnahme dieser Medikamente zudem kontraindiziert sein. Neben den Anticholinergika stehen dem Arzt noch andere Medikamente zur Verfügung.
Seit wenigen Jahren ist bei einer nicht nervlich bedingten Dranginkontinenz auch Botulinumtoxin – umgangssprachlich: Botox – als Behandlungsmethode medizinisch zugelassen. Es wird direkt in die Blasenmuskulatur eingespritzt und hemmt so ihre Überaktivität. Botulinumtoxin wirkt rund 6 bis 9 Monate und wird bei Nachlassen der Wirkung nachgespritzt. Eine operative Maßnahme zur Beseitigung einer Dranginkontinenz ist nur selten erforderlich.
Therapie einer Überlaufinkontinenz
Bei der Behandlung einer Überlaufinkontinenz steht meistens die Therapie der Grunderkrankung im Vordergrund, zum Beispiel der vergrößerten Prostata oder ursächlicher Harnsteine oder Tumore. Diabetes mellitus oder neurologische und gynäkologische Erkrankungen sind als weitere separat behandlungsbedürftige Ursachen zu nennen.
Therapie einer Reflexinkontinenz
Im Rahmen der Therapie einer Reflexinkontinenz erlernen Patienten vor allem das selbstständige Legen eines Katheters. Manchmal tragen sie auch einen Dauerkatheter. Wie bei der Dranginkontinenz kann auch bei der Reflexinkontinenz das Spritzen von Botulinumtoxin in die Blasenmuskulatur sinnvoll sein, um für 6 bis 9 Monate ungewollte Blasenkontraktionen zu vermeiden. Als letzte Maßnahme kann der Einbau von einem Blasenschrittmacher erwogen werden.
Therapie einer extraurethralen Blaseninkontinenz
Da die extraurethrale Blaseninkontinenz auf einer Harnröhrenfehlbildung ab Geburt beruht oder auf einer später entstandenen körperlichen Fehlbildung, zum Beispiel einer Fistel, kommt hier nur eine Operation infrage.
Wie kann man einer Blaseninkontinenz vorbeugen?
Eine Blaseninkontinenz muss Dich nicht schicksalhaft treffen. Zwar sind manche Menschen familiär vorbelastet und tragen ein entsprechend höheres Risiko. Doch kannst Du durchaus aktiv einer Blasenschwäche vorbeugen. Mit unseren Tipps hast Du eine Chance, verschont zu bleiben, oder eine mögliche Blasenschwäche trifft Dich erst später oder fällt weniger schwer aus, als es wohl sonst der Fall gewesen wäre. Ein paar Rückschlüsse auf mögliche Vorbeugungsmaßnahmen kannst Du bereits aus dem Artikel-Abschnitt über die Ursachen von Blasenschwäche ziehen.
Gewicht reduzieren
Übergewicht erhöht das Risiko für zahlreiche Erkrankungen, darunter das für Blasenschwäche, da es den Beckenboden belastet. Bereits eine Gewichtsreduzierung von 10 % kann etwas bringen. Fange einfach an, Dich zumindest von ein paar Deiner überflüssigen Kilos zu trennen.
Beckenbodentraining
Das als Therapiemaßnahme gegen Blasenschwäche empfohlene Beckenbodentraining eignet sich auch ausgezeichnet zur Vorbeugung. Lasse Dir von einem Physiotherapeuten oder qualifizierten Trainer für Beckenbodengymnastik die Übungen erklären. Sie lassen sich leicht bei Dir zu Hause und sogar heimlich beim Sitzen im Büro absolvieren.
Ausdauersport
Bewegung – insbesondere Ausdauersport wie Radfahren, Schwimmen, Nordic Walking, Reiten und Pilates – können einer Blasenschwäche entgegenwirken. Du kannst sie mit Entspannungsmethoden wie Yoga verbinden.
Viel trinken
Bemühe Dich, täglich rund 2 Liter Wasser oder Tee zu trinken. Das trainiert Deine Blase und hilft, einer Blasenschwäche vorzubeugen.
Ausgewogen ernähren
Eine ballaststoffreiche Ernährung mit viel Obst und Gemüse ist vorteilhaft. Verwende möglichst wenig Fertiggerichte, sondern koche selbst. Dann weißt Du immer genau, was in Deinem Essen ist. Viele Gerichte lassen sich schneller zubereiten, als Du womöglich denkst. Ballaststoffreiche Nahrung verursacht eher lockere, weiche Stühle und vermeidet so das für das Blasensystem ungünstige Pressen beim Stuhlgang.
Gesunde Körperhaltung
Aufrechtes Gehen und Stehen stützt automatisch die Muskulatur des Beckenbodens. Abgesehen davon ist es auch gut für die übrige Muskulatur und das Skelettsystem.
Auch richtiges Heben will bedacht sein: Möchtest Du etwas Schweres vom Boden aufheben, beuge Dich nicht einfach vor. Gehe stattdessen in die Hocke, lasse dabei Deinen Rücken gerade und hebe dann unter Belastung Deiner Beine – nicht des Rückens wie beim Beugen – den Gegenstand auf und spanne dabei Deine Beckenbodenmuskulatur an.
Schutz vor Blasenentzündungen
Blasenentzündungen können Blasenschwäche begünstigen. Sorge insbesondere dafür, dass Du Dir keine Unterkühlung am Unterleib zuziehst, zum Beispiel durch das Sitzen auf kalten Oberflächen oder das Anbehalten nasser Badebekleidung. Auch solltest Du an kühlen Tagen zumindest in der Beckenregion warme Kleidung tragen. Beim Verdacht auf eine Blasenentzündung suche bitte unverzüglich einen Arzt auf, um die Infektion nicht zu verschleppen und eine ungünstige Entwicklung für Deine Blase schnellstmöglich zu stoppen.
Umgang mit Hilfsmitteln bei Blaseninkontinenz
Lässt sich eine Blaseninkontinenz nicht vollständig heilen, stehen Betroffenen zahlreiche Hilfsmittel zur Verfügung, die auch mit Blasenschwäche einen weitgehend unbeschwerten Alltag ermöglichen. Vor allem die Sorge, dass bloß niemand etwas von der Beeinträchtigung mitbekommt, ist bei heutigen Inkontinenzprodukten unbegründet. Inkontinenzler können unter vielen Artikeln wählen, je nach Art und Schwere der Blasenschwäche sowie dem persönlichen Lebensstil, dem Gefallen des Produktes und seiner Anwendung. Inkontinenzartikel sollten eine gute Passform haben und sich angenehm tragen lassen. Sie dürfen unter der Kleidung nicht auftragen und sollen auch nicht knistern oder rascheln. Außerdem sollen sie hautverträglich sein und nicht verrutschen.
Die Angst vor Uringeruch bei Blasenschwäche ist verständlich. Du solltest wissen, dass frischer Urin kaum riecht. Der typische Uringeruch zeigt sich erst nach einiger Zeit. Wechsele also Vorlagen oder Pants regelmäßig, auch deshalb, weil aus längerem Hautkontakt mit Urin Hautreizungen entstehen können.
Im Allgemeinen entscheiden sich Menschen mit Blasenschwäche bei ihren Inkontinenzprodukten für mehrere Varianten. Für das Auftreten in der Öffentlichkeit wie im Beruf, bei Einladungen oder unterwegs spielen ein hoher Tragekomfort und eine Geruchsneutralisierung eine größere Rolle als zu Hause. Auch brauchen einige tagsüber und andere wiederum nachts Produkte mit stärkerer Schutzwirkung. Eine flexible Sortierung unterschiedlicher Inkontinenzartikel für verschiedene Anlässe und Tageszeiten hat sich daher bewährt.
Es gibt verschiedene Artikelkategorien:
Urin aufsaugende Inkontinenzartikel
- Einlagen beziehungsweise Vorlagen: Sie sind erhältlich in verschiedenen Größen und Stärken in entsprechend unterschiedlichen Sortenkapazitäten. Gegen mögliches Verrutschen gibt es stabilisierende Fixierhilfen wie Gürtel oder Netzhosen.
- Windeln und Windelhosen: Sie eignen sich vor allem für eine mittlere oder schwere Blaseninkontinenz und haben eine hohe Auslaufsicherheit. Es gibt sie in sehr vielen Varianten, nicht nur bezüglich Größe, Form, Aufnahmevermögen und Anwendung, sondern auch als Modelle mit Farbanzeige, wann es wieder Zeit zum Wechseln ist.
- Inkontinenzhosen beziehungsweise Pants: Sie sind als Einwegslips oder waschbare, mehrfach tragbare Anfertigung zu haben. Sie lassen sich wie herkömmliche Unterwäsche tragen und eignen sich bei einer leichten bis mittleren Blasenschwäche. Trotz ihrer geringeren Saugfähigkeit sind sie meistens teurer als Windeln. Hier zählt der Tragekomfort.
Urin auffangende sowie ableitende Inkontinenzartikel
- Tropfenschutz beziehungsweise Tropfenfänger: In den auch als Penistasche bekannten Artikel wird der Penis eingelegt und das Hilfsmittel zum Auffangen des Urins in der Unterwäsche befestigt. Der Auffangschutz ist für Männer mit einer leichten bis mittleren Harninkontinenz geeignet.
- Katheter: Katheter leiten den Urin aus der Harnröhre ab. Sie sind als Einwegkatheter sowie dauerhaft verwendbare Katheter erhältlich, wobei zu bemerken ist, dass Letztere ein Infektionsrisiko bergen, Einwegartikel also hygienischer sind.
- Kondom-Urinal: hierbei handelt es sich um einen Urin-Auffangbeutel, der im Gegensatz zu einem Katheter den Urin außerhalb des Körpers aufnimmt und in einem Beutel weiterleitet, welcher anschließend über ein Ventil geleert wird. Kondom-Urinale eignen sich für Männer mit einer mittleren bis schweren Blaseninkontinenz.
Beteiligen sich Krankenkassen an medizinischen Hilfsmitteln bei Blaseninkontinenz?
Die nicht gerade geringen Kosten für Inkontinenzartikel werden in bestimmten Fällen wenigstens teilweise von den Krankenkassen erstattet. Wichtig ist, dass der Arzt dafür ein Kassenrezept ausgestellt hat mit Diagnose, Art der Inkontinenz-Artikel, dem monatlichen Bedarf und dem Gültigkeitszeitraum. Die Verordnung auf Rezept erfolgt im Allgemeinen ab einem mittleren Schweregrad der Inkontinenz, wenn diese als Folge einer Grunderkrankung wie beispielsweise Diabetes mellitus auftrat oder nach einer Operation.
Die Höhe der persönlichen Zuzahlung regelt das Sozialgesetzbuch. Auch müssen Krankenkassen die Hilfsmittel in der medizinisch notwendigen Menge und Qualität genehmigen, dürfen allerdings die Auswahl der von der Kasse bezuschussten Hilfsmittel beschränken oder an einen bestimmten Hersteller binden.
Wichtiger Hinweis
Dieser Artikel soll Dich informieren. Er ersetzt nicht den Rat oder Besuch eines Arztes, Heilpraktikers und Apothekers.
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Kurz gesagt
Blasenschwäche tritt zwar meistens erst im fortgeschrittenen Lebensalter auf, kann aber grundsätzlich in jedem Alter vorkommen. Die Dunkelziffer der Betroffenen ist hoch. Viele schämen sich für ihre Blaseninkontinenz und verschweigen sie, selbst gegenüber ihrem Hausarzt. Dabei gilt: Je früher eine Blasenschwäche behandelt wird, desto besser wird voraussichtlich der Behandlungserfolg sein.