Sängerin, Bestseller-Autorin und Familienmensch: Hera Lind ist so facettenreich wie ihre Romane. Ihre Tatsachenromane stehen monatelang auf der Spiegel-Bestsellerliste und werden für das ZDF in einer großen Hera Lind-Reihe verfilmt. In einem sehr persönlichen Interview erzählt die Autorin uns, was sie antreibt und warum Schicksalsschläge auch eine Chance sein können. Außerdem gibt sie Tipps für junge Autorinnen und Autoren.
Meine Tatsachenromane empfehle ich allen, die glauben, dass es ihnen gerade richtig schlecht geht!
Liebe Hera Lind, gleich dein erstes Buch „Ein Mann für jede Tonart“ wurde erfolgreich verfilmt. Deine Bücher waren bunt, leicht und voller Humor. War dein Leben damals genauso?
Allerdings! (Lacht) Ich war schon immer eine Frohnatur und verbunden mit meinem damaligen Beruf Sängerin war das Leben wie eine Schachtel Pralinen!
Während deiner „ersten Karriere“ als Autorin war dein Name eng verknüpft mit deinem wohl bekanntestem Buch „Das Superweib“. Und auch wenn die Titelrolle im gleichnamigen Film von Veronika Ferres gespielt wurde, für Deutschland war die überall präsente, strahlende, erfolgreiche Hera Lind das wahre Superweib. Hast du zeitweise gespürt, dass die Erwartungen von außen dich unter Druck setzen?
Kurze Korrektur: Meine „erste Karriere“ war die der Sängerin. Ich habe 16 Jahre mit Singen meine Brötchen verdient! Und ja, der Stempel „Superweib“, den man mir nach dem gleichnamigen Bucherfolg aufdrückte, hat mich unter Druck gesetzt. Lange habe ich das gar nicht gemerkt, weil ich dachte, die Erwartungen der Leute seien gerechtfertigt und ich gehörte quasi allen. Bis die Kehrseite der Medaille eines Tages sichtbar wurde.
Wie gehst du heute damit um, wenn du merkst, dass sich von irgendwo starker Druck aufbaut?
Ich lasse das gar nicht mehr zu! Mein Privatleben ist mir heute unendlich wertvoll und kostbar! Nichts geht über den Zusammenhalt meiner Familie, meine harmonische Ehe und meine kostbaren Stunden beim Laufen mit klassischer Musik in der Natur.
Insofern lasse ich mich nicht mehr vermarkten und konzentriere mich hauptsächlich auf das Schreiben in meinen eigenen vier Wänden. Durch meine Romanfiguren kann ich immer noch viel von mir selbst geben, aber das Ausmaß und den Inhalt bestimme ausschließlich ich.
Für jeden von uns hält das Leben unangenehme Überraschungen bereit. Auch du bist von Schicksalsschlägen nicht verschont geblieben, hast aber nie aufgegeben. Seit deinem ersten Bestseller aus dem Jahr 1989 hast du im Schnitt jedes Jahr ein neues Buch geschrieben. Was gab und gibt dir heute die Kraft immer weiterzumachen?
Das Schreiben ist mir Bedürfnis und Leidenschaft. Ich gehe völlig auf im Schreiben. In schlechten Zeiten gelang mir damit die Flucht aus der Realität. Ich konnte zehn Minuten nach einer Hiobsbotschaft bereits mit meiner Romanfigur verwachsen sein und wegen einer ausgedachten komischen Situation schallend lachen.
Heute liebe ich es, in die Schicksale meiner Tatsachenromane einzutauchen. Dabei merke ich, dass es viel Schlimmeres gibt als das, was ich erlebt habe.
Nach den eher fröhlich-beschwingten Büchern deiner ersten Karriere ist deine zweite Karriere geprägt von Tatsachenromanen mit ernsteren Themen. Da geht es um enttäuschte Liebe, missbrauchtes Vertrauen, aber auch immer um Hoffnung und den Willen, Schicksalsschläge zu überwinden. Ein Beispiel ist dein aktuelles Buch „Kuckucksnest“. Hier erzählst du die Geschichte von Zwillingsschwestern, beide unfruchtbar aber mit starkem Wunsch nach Kindern. Die beiden Frauen wenden ihr Schicksal zum Guten, indem sie Kinder adoptieren und zwar insgesamt zehn Kinder. Ist es die menschliche Stärke, Rückschläge in etwas Gutes zu verwandeln, die dich an diesem Genre reizt?
Genau. Krise als Chance zu sehen, das fällt uns meistens erstmal schwer, wenn wir bis zum Hals in Schwierigkeiten stecken. Aber genau durch diese – inzwischen 12 – Tatsachenromane merkt man beim Lesen, dass das eigene Problem ja relativ gering ist! Man profitiert von der Kraft und dem Siegeswillen der Protagonisten und kann sich selbst mit vernünftigem Abstand sehen. Ich empfehle die Tatsachenromane allen, die glauben, dass es ihnen gerade richtig schlecht geht!
Wie kommst du zu den Themen für deine Bücher oder kommen die Themen zu dir?
Glücklicherweise kommen die Themen zu mir! Ich bekomme kistenweise Lebensgeschichten zu geschickt, arbeite mich auch selbst durch alle hindurch, und von 100 ist im Schnitt eine dabei, wo bei mir der Funke springt und ich sage: Die nehme ich! Die ist wunderbar!
Die gibt meinen Leserinnen Kraft, weil die Protagonistin nicht nur im Selbstmitleid badet, sondern ihre Situation irgendwann anpackt, sich ihr stellt und sie das Beste draus macht. Nicht von ungefähr sind alle Tatsachenromane monatelang auf der Spiegel Bestsellerliste und werden jetzt für eine große Reihe für das ZDF verfilmt.
Dein neues Buch „Die Sehnsuchtsfalle“ basiert wieder auf der wahren Geschichte einer Frau. Sie wird in Brasilien mit Kokain erwischt und geht, wie man sich denken kann, anschließend durch die Hölle. Allein der Klappentext lässt uns angespannt fragen: „Geht es der Frau gut?“
Ganz ehrlich: sicher nicht wirklich. Sie war sechs Jahre lang in Brasilien im Gefängnis, die ersten zwei hat sie in einem Käfig mit 200 anderen Frauen dahin vegetiert. Sie hatte sich schon komplett aufgegeben und wollte sterben. Aber dann fing sie an zu schreiben.
Über 1000 Seiten hat sie im Gefängnis geschrieben und dann sogar noch auf Portugiesisch ihr Abitur gemacht. Ein grandioses Beispiel für Stärke! Heute lebt sie zurückgezogen im Ausland, aber es geht ihr vielleicht deshalb im Moment ganz gut, weil nun ihre Geschichte veröffentlicht wird und sie die Energie vieler Leser spüren wird, die jetzt bei ihr sind.
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Meinen Protagonisten begegne ich mit Wärme und Respekt
Du erfährst von fremden Menschen traurige, schlimme, erschreckende Dinge. Was denkst du, warum diese Menschen dich auswählen und dir ihr persönliches Schicksal anvertrauen?
Ich denke, sie spüren, dass ich ihnen mit Wärme und Respekt begegne. Ich will ihre Geschichten nicht ausschlachten und sie den Leuten zum Fraß vorwerfen, wie es mir selbst mit der Presse passiert ist. Daraus habe ich gelernt; jeder Mensch hat Respekt und Achtung verdient, egal wie er sein Leben gelebt hat. Ich bin immer ganz nah bei der Protagonistin, schreibe auch immer in „Ich“-Form, krieche förmlich in sie hinein. Am Ende wird kein Wort veröffentlicht, das sie nicht selber abgesegnet hat.
Alle meine Protagonistinnen (und der eine männliche aus „Der Mann der wirklich liebte“) sind im Nachhinein begeistert und absolut glücklich mit dem Tatsachenroman. Die meisten sind sogar sehr stolz darauf.
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Die neuen Medien bieten Nachwuchsautoren beides: Chancen und Risiken
In den Zeiten von E-Books und Selfpublishing haben es junge Autorinnen und Autoren heute schwerer oder leichter, sich zu behaupten? Wie denkst du darüber?
Ich glaube beides. Es gibt heute viel mehr Möglichkeiten, mit dem Geschriebenen an die Öffentlichkeit zu gehen, durch Internet und andere Medien kann jeder sich jedem ungefiltert mitteilen. Dafür ist aber auch die Überschwemmung an Mitteilungsdrang fast katastrophal, und das Gute ist erstmal nicht vom Profanen rauszufiltern.
Ich bin damals zur Buchmesse gefahren und habe das einzige Manuskript im Original (!) nach dem Zufallsprinzip einer Lektorin in die Hand gedrückt, die ich noch nicht mal mit Namen kannte. Riesenschwein gehabt, würde ich sagen.
Welche 3 Tipps würdest du Nachwuchsautorinnen und -autoren mit auf den Weg geben?
- Schreibe authentisch und ehrlich, so wie wenn du mit deinem besten Freund reden würdest.
- Verpacke so viel wie möglich an Informationen in frische lebendige Dialoge.
- Lass dich von Absagen nicht einschüchtern. Glaube an dich und gib nicht auf.
Zum Schluss noch eine Frage: Arbeitest du schon wieder an einem neuen Projekt? Wenn ja, verrätst du uns vorab ein bisschen was dazu?
Ja, ich liege gerade in den letzten Zügen an dem Tatsachenroman „Mein Mann, seine Frauen und ich“. Eine Frau Mitte vierzig heiratet in den Neunzigerjahren einen streng gläubigen Moslem nach den Gesetzen der Scharia, ohne sich groß Gedanken darüber zu machen. Die beiden lieben sich und gehen in den Oman, wo sie sich verschleiert und nach seinen Regeln lebt. Sie ist bereits seine Zweitfrau und muss später hinnehmen, dass er auch noch eine Dritte und eine Vierte heiratet, nach den geltenden Regeln des Korans.
Aus der anfänglich leidenschaftlichen Liebe und Abenteuerlust wird das „Warten auf Godot“ – sie ist nur jeden vierten Tag „dran“ und sitzt ansonsten in einem zugemauerten Hof. Heute fragt sie sich: „Wie blöd war ich eigentlich?“, aber sie hatte mit dem Mann die spannendste und aufregendste Zeit ihres Lebens. Sie hat ihre Geschichte verarbeiten können und freut sich auf den Erscheinungstermin im April 2017. Auch dieser Roman soll verfilmt werden.
Liebe Hera, wir danken dir herzlich, dass du dir die Zeit für dieses tolle Interview genommen hast. Wir freuen uns sehr auf die Verfilmungen und natürlich auf viele weitere Bücher von dir.
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