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Kinder und der liebe Medienkonsum

von Jens Bayer
2 Kommentare
Kinder und der liebe Medienkonsum

Wenn über Kinder und Medienkonsum gesprochen wird, geht es meist um das Thema Fernsehen. Und darum wie viel zu viel ist. Rasch erhitzen sich die Gemüter, weil es jeder richtig machen will – als würde die gesamte Zukunft des Kindes davon abhängig sein oder als würde man als Eltern danach bewertet werden „Wie gut man denn nun ist“.

Jeder will hier der Beste sein und vergisst darüber häufig andere wichtige Themen oder tut sich selbst und schon gar nicht dem Kind einen echten Gefallen.

Und um es noch komplizierte zu machen: Es geht auch um andere Medien, die man im Blick haben sollte. Zum Beispiel Hörbücher, Internet und ja – auch normale Bücher und Comics.

Doch eins nach dem anderen.

Kinder und Medienkonsum. Wie lange ist zu lange?

Viele kennen es schon von den eigenen Eltern: „Schau nicht so viel Fernsehen, sonst bekommst Du rechteckige Augen!“ Ein kleines Märchen, dass wohl bei keinem wirklich wahr geworden ist, oder? Mal Hand aufs Herz: Wie vielen Menschen bist Du da draußen über den Weg gelaufen, die wirklich rechteckige Augen haben?

Trotzdem hatte der Spruch einen wahren Kern: Früher haben Fernseher auf Kathodenstrahlröhrenbasis häufig unmerklich, aber nichtsdestotrotz stark geflimmert. Das hat schon erwachsene Menschen rasch ermüdet oder gar für Kopfschmerzen gesorgt. Das ist heute in den allermeisten Haushalten anders. Hochauflösende, große, flimmerfreie und breitformatige Fernseher haben unlängst die uralten, kleinen Würfel abgelöst. Gesundheitliche Aspekte sprechen also nicht wirklich gegen eine längere Nutzung. Auch das Thema, dass moderne Bildschirme zu viel sogenanntes blaues Licht abgeben, dass dann wiederrum den Schlaf stört ist durch entsprechende Studien unlängst widerlegt.

Die Empfehlungen der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung klingen hochoffiziell und sind tatsächlich aber nichts als eine Empfehlung. Hier die Tabelle:

Empfehlungen zu den täglichen Mediennutzungszeiten von Kindern

AlterBücher/BilderbücherHörmedien
(Musik-CDs, -Dateien, Hörgeschichten)
Bildschirmmedien
(Fernsehen, Video, Computer, Spielekonsolen, Tablets, Smartphones)
0–3 Jahreregelmäßig Bilderbücher anschauen und vorlesen (ab etwa 6 Monate)höchstens 30 Minutenam besten gar nicht
3–6 Jahreregelmäßig Bilderbücher anschauen und vorlesenhöchstens 45 Minutenzusammen höchstens 30 Minuten
6–10 Jahreregelmäßig vorlesen / lesenhöchstens 60 Minutenzusammen höchstens 45–60 Minuten

Achtung: Diese Daten basieren nicht auf einer Studie oder ähnlichen wissenschaftlichen Konsens. Sie sind mehr oder minder lediglich ein gesellschaftlicher Konsens. Nicht mehr und auch nicht weniger. Unserer Meinung nach ein Richtwert – der von Kind zu Kind unterschiedlich sein kann und darf.

Kann ich dann jetzt mein Kind so lange Fernsehen schauen lassen, wie es will?

Nein – das empfehlen wir natürlich auch nicht. Jedes Kind ist anders. So wie jeder Erwachsene auch. Manche Erwachsene mögen Horrorfilme, manche können sie partout nicht ab. Wir haben im Gegensatz zu Kindern jedoch die freie Wahl, kennen unsere Grenzen und wissen was wir mögen und was wir nicht mögen.

Am allerwichtigsten ist unserer Meinung nach eher die Frage nach dem „Was“, als nach dem „Wie viel“. Witzigerweise würde heutzutage kaum mehr jemand zu einem Kind sagen: „Lies nicht so viel!“ Oder: „Schau nicht so viele Comics“. Und es ist noch gar nicht so lange her, da wäre das anders gewesen.

Fakt ist: Gerade Kleinkinder orientieren sich an allen Möglichen und Unmöglichen. Weite strecken der Kindheit sind eine wichtige, prägende Phase.

Folgende Fragen sollte man sich daher eher stellen:

  • Schaut das Kind gerade etwas, das für das Alter wirklich gerecht ist?
  • Sind in dem Film, der Serie, dem Hörbuch oder dem welchem Medium auch immer Inhalte, die vielleicht nicht so gut für eine prägende Phase sind. Zum Beispiel:
    • Versteckter Rassismus
    • Sexismus
    • Medial überspitzte Rollenbilder
    • Gewalt und Tod
    • Wertebilder bzgl. Reichtum, Leistung und gesellschaftlicher Beliebtheit
    • Drogenkonsum (Alkohol, Rauchen, etc.)
  • Wie verhält sich das Kind nach und während des Konsums?
    • Spielt es zum Beispiel Szenen aus einer Serie nach?
    • Oder zieht es sich zurück?
    • Kann man den Fernseher auch mal problemlos und ohne viel Theater ausmachen, oder zeigt sich schnell starkes Suchtverhalten?
    • Kann das Kind auch mal 2 Tage ohne Medienkonsum?
    • Hat das Kind noch Lust auf Spielplatz, Freunde treffen, mit den Eltern spielen, etc?
    • Ist das Kind leicht abzulenken vom Medium und kann sich rasch auch für etwas anderes begeistern oder ist z.B. der Fernseher wie eine Art Schalter das mein Kind in ein abwesendes Etwas verwandelt, das nicht mal merken würde, wenn man direkt daneben eine komplette Familienpackung Gummibärchen verschlingt?
  • Wie verhält man sich selbst?
    • Ist es ein angenehmes „Kinder vor dem Fernseher parken“ oder weiß man das es noch im Rahmen ist? Das eigene, schlechte Gewissen sollte ein Index sein, aber auch kein knallhartes Gesetz!
    • Kann ich als Mutter / Vater auch mal den Fernseher ausmachen und die wertvolle Zeit mit meinem Kind verbringen?

Um ein Beispiel zu machen, das man auch auf andere Medien gut anwenden kann: Wenn man sich bestimmte Serien auf den diversen Streamingplattformen genauer anschaut, stellt man z. B. fest, dass diese zwar angeblich für kleine Mädchen gemacht sind, aber nur so vor sexistischen und leider dann auch prägenden Rollenbildern stecken.

Da werden überzeichnete, auf 3D-Animation basierte Highschool-Mädchen im Funkel-teuren-Glamour Look dargestellt. Alle in hochhackigen Schuhen, Minirock und Markenklamotten, alle Gertenschlank, ohne Makel und mit einem Smartphone in der Hand, das nur dafür da ist, um ein Selfie mit der „Besten Freundin“ zu schießen, damit die Likes nur so prasseln. Garniert wird das Ganze mit einer Leistungsideologie, die jeden erwachsenen Menschen in den Burnout treiben würde. So werden mal eben des Nachts noch schnell die Hausaufgaben für die gesamte Qlique fertig gemacht, weil man irgendein x-beliebiges „Versprechen“ gegeben hatte und dieses nun ohne wenn-und-aber einhalten muss.

Das die menschliche Realität anders aussieht ist jedem erwachsenen Menschen, der ehrlich genug zu sich selbst ist, mehr als bewusst. Kinder können diese Entscheidung jedoch noch nicht treffen und orientieren sich an solchen „Vorbildern“.

Mit diesem Beispiel wird hoffentlich klar, was gemeint ist mit dem richtigen, bzw. dem falschen Inhalt für ein Kind.

Aber was ist denn nun der richtige Inhalt?

Grundsätzlich gilt: Alles was dem Alter gerecht wird und was das Kind auch als Individuum wirklich verträgt. Manche Kinder sind schnell ängstlich – selbst bei Medien, die offiziell für das Alter freigegeben worden sind. Und das ist auch vollkommen in Ordnung so. Kein Erwachsener der Höhenangst hat, würde sich von einem anderen ohne Not zum Fallschirmspringen zwingen lassen, nur weil es ab einem gewissen Alter möglich ist. Man sollte Kinder grundsätzlich respektieren, aber auch Grenzen aufzeigen. Solange man es in aller Ruhe erklärt, geht das in der Regel auch gut. Notfalls auch mehrfach. Bitte niemals vergessen: Es ist ein Kind. Selbst als Erwachsene Menschen begreifen wir manche Dinge nicht adhoc – das gleiche und mit wesentlich mehr Geduld sollte man seinem Kind zugestehen.

Inhalte sollten auch zu einem gesunden Wertemaßstab passen. Oft sieht man in Kinderserien noch so etwas wie „Die Moral von der Geschichte“ haben – das ist immer ein guter Index dafür, ob die Geschichte dahinter auch wertvoll war. Bitte nicht zwanghaftes „Lernen“ versuchen mit unterzubringen. Das passiert automatisch. Kinder – wie erwachsene auch – lernen am besten durch Geschichten. Lasst Eure Kinder bitte Kinder sein. Die Schulzeit kommt schneller als man denkt. Kein Kind, dass nicht von selbst Spaß daran hat, braucht schon mit 3 oder 4 Jahren das Alphabet und die Grundrechenarten verstehen.

Das allerwichtigste ist, dass man sein Kind beim Medienkonsum begleitet, beobachtet und ja: Auch im Rahmen des Alters kontrolliert.

Ausnahmen und Fehler sind übrigens auch vollkommen in Ordnung. Das Gehirn ist „plastisch“. D.h. dass es sich ständig neu formt, wenn man so will. Nur weil man an einem Tag mal viel zu lange vor dem Fernseher oder dem Hörbuch versumpft ist, ist nicht gleich ein bleibender Schaden entstanden. Also ist die Devise: Nicht nur und insbesondere dem Kind Fehler verzeihen, sondern durchaus auch sich selbst. Das hilft enorm ruhig und besonnen zu bleiben. Mehr noch aber nach vorne zu blicken und sich gemeinsam mit dem Kind weiter entwickeln zu können.

Habt ihr alterspezifische Empfehlungen?

Klar – haben wir! 😊 Folgende Liste erweitern wir stätig und von Zeit zu Zeit. Gerne kannst Du aber auch unten in den Kommentaren Deine eigene Empfehlung an uns richten. Nach kurzer Prüfung führen wir diese dann mit auf.

AlterBücher/BilderbücherHörmedien
(Musik-CDs, -Dateien, Hörgeschichten)
Bildschirmmedien
(Fernsehen, Video, Computer, Spielekonsolen, Tablets, Smartphones)
0–3 Jahre0-2 Jahre: Eher ruhige Musik (z.B. aus dem Meditationsbereich), Klänge, Tier- und Umweltgeräusche. Nichts, was ein Gehirn überfordert und über Gebühr stresst, das sich noch in Entwicklung befindet und Informationen erst noch lernen muss zu verarbeiten.
Ab 2 Jahren kann auch eine Hörbuchliste von Audible wertvoll sein.
3–6 JahreUnsere Empfehlung für alle diejenigen, die ein Audible Account haben ist eine großartige Zusammenstellung von Hörbüchern für Kleinkinder ab 3 Jahren. Dort findet man zum Beispiel Hörbücher, die gut zum Einschlafen sind.
6–10 JahreAb 6 Jahren: Zur Liste von Audible
Ab 8 Jahren: Zur Liste von Audible
Ab 10 Jahren: Zur Liste von Audible

Woher habt ihr all diese Erkenntnisse?

Also zum einen ist der Autor dieses Beitrags selbst Vater einer wunderbaren Tochter. Wir finden das Erfahrung durch kaum etwas zu schlagen ist. Zum anderen recherchieren wir jeden Artikel gründlich, bevor wir ihn veröffentlichen. So haben wir für diesen Artikel folgende Quellen. Alles in allem eine gesunde Mischung. Gerne kannst Du in den Kommentaren Dein Wissen, Deine Erfahrungswerte, Studien und Co. mit uns teilen.

Sollten wir irgendwo falsch liegen, es neue Erkenntnisse geben oder Du siehst ein Thema vollkommen anders – Schreib uns gerne. Nutze dafür die Kommentare, oder unsere E-Mailadresse, die du im Impressum findest.

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2 Kommentare

Annika 29. August 2022 - 16:56

Unser 3-jähriger darf am Wochenende in der Mittagspause eigenständig mit der Toggolino App seien Sendungen gucken. Das schöne ist, er kann sie komplett alleine bedienen und wir können aber steuern, was und wie viel er gucken darf.

Antwort
Jens Bayer 29. August 2022 - 18:32

Hi Annika, Danke für Deinen Kommentar. Ich kann mir als Selbstständiger zwar gut vorstellen, was Du mit „Mittagspause“ meinst, aber damit es hier nicht zu missverständnissen kommt: Wie genau meinst Du es denn? Muss der Kleine viele Überstunden machen und ist das am Wochenende nur eine Ausnahme, dass er arbeiten muss oder eher der Normalzustand? 😉 #humoristwennmantrotzdemlacht 😉

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